Interview mit der Eselzüchterin Gerda Johnen

Frau Johnen, wie sind Sie auf den Esel gekommen?

10 Tage alte Esel

Frau Johnen, wie sind Sie auf den Esel gekommen?

Esel haben mich schon als Kind fasziniert. Ich fand, Esel werden verkannt, denn bei allen Weihnachtskrippen ist ein Esel mit dabei. Auch als Maria mit dem Jesuskind vor Herodes nach Ägypten fliehen musste, wurden sie von einem Esel getragen. In südlichen Ländern haben Esel Jahrtausende lang eine wichtige Rolle gespielt und waren der Reichtum der armen Leute.

Was sind in Ihren Augen die typischen Charaktereigenschaften eines Esels?
Es sind sehr unabhängige und autarke Tiere, dabei aber sehr auf Menschen bezogen. Sie sind feinfühlig und vergessen es nicht, wenn jemand sie schlecht behandelt hat, außerdem neugierig und verspielt – sie sind einfach zum Liebhaben! Der Charakter eines Esels ist wohl auch sehr abhängig von der Zucht. Ich selbst habe schlechte Erfahrungen gemacht mit einem Esel eines Großhändlers.
 
Wie kamen Sie dazu, als Hobby Esel zu züchten?
Mein erster Esel, Felix, war ein Geburtstagsgeschenk. Ein Freund, der damals Tierzooinspektor im Euregio Zoo Aachen war, hatte den Kauf 1996 vermittelt. Felix ist auch heute noch bei uns. Vom Zoo kamen dann immer mal wieder Esel „auf Ferien“ zu uns. Die Zoo-Eselinnen hatten es hier einige Monate ruhig und waren danach bereit gedeckt zu werden. Ich habe auch zwei ältere Tiere, Lisa und Lotte, vom Zoo gekauft. Die beiden Eselinnen haben hier drei Junge zur Welt gebracht, die alle verkauft wurden. Das Eselkind der Stute, die ich beim Händler gekauft habe ist unsere Lolita und immer noch hier.
 
Verstehen sich Esel gut mit Kindern?
Die meisten Esel verstehen sich sehr gut mit Kindern. Felix kommt aus einer Familie mit einem behinderten Kind. Ich arbeite hauptberuflich als Erzieherin mit Behinderten im Vinzenz-Heim in Aachen und wir haben hier mehrfach Ferienspiele mit Behinderten angeboten. Die Nachfrage war immer groß. Unsere Esel gehen sehr zart mit den Kindern um. Seit ca. 10 Jahren kommen sie regelmäßig nach Absprache in den Sommermonaten. Eine Gruppe der „Lebenshilfe“ mit geistig behinderten Erwachsenen war auch schon hier. Für die Charaktereigenschaften eines Esels ist der Vater sehr wichtig, denn er gibt das Temperament an die Kinder weiter. Unser Hengst Felix ist ein sehr sanftmütiges Tier. Eselinnen sind im Allgemeinen unkomplizierter. Auch Wallache, das sind männliche, kastrierte Esel, sind friedlich - vorausgesetzt, sie wurden vor dem 7.-8. Monat „gelegt“, d.h. kastriert.
 
Es scheint einen neuen Freizeitsport zu geben, das Eselwandern bzw. Eseltrekking. Haben Sie damit Erfahrung?
Das Eseltrekking ist in Frankreich seit einigen Jahren recht populär. Ich selbst gehe schon mal mit den Eseln spazieren, aber da ich auf dem Hof einige verschiedene Tiere habe, ist es nicht einfach, längere Zeit von hier wegzubleiben. Die Tiere müssen schließlich täglich versorgt werden. Esel laufen auch recht gemächlich. Mit 3,5 km/h entspricht ihr Tempo dem des Menschen.
 
Was macht ausgerechnet den Esel heute interessant?
Bei so einer Wanderung übernimmt man wechselseitig Verantwortung: der Esel trägt das Gepäck, manchmal auch ein Kind und die Menschen sorgen für den Esel. Esel sind auch entgegen ihrem Image weder dumm noch störrisch, sondern geduldige, treue Begleiter, die in Schrecksituationen nicht scheuen oder fliehen, sondern einfach stehenbleiben. Es könnte auch sein, dass wir sie für diese Eigenschaften heute ein wenig bewundern…
 
Was braucht man, um einen Esel als Haustier zu halten?
Dazu sind zwei Wiesen nötig oder eine große Wiese, die zum Wechseln unterteilt werden kann und ein Stall, da die Tiere Feuchtigkeit nicht gut vertragen. Außerdem sollte man sich vor einem Kauf nach einem Tierarzt und einem Hufschmied umsehen. Nicht viele Tierärzte kennen sich mit Eseln aus und Hufschmiede sind nicht sehr an Eseln interessiert, da die Tiere keine Hufeisen brauchen, sondern nur 2x im Jahr Hufpflege. Außerdem braucht man einen einsamen Hof oder sehr nette Nachbarn. Hier hört man gelegentlich vor allem die männlichen Esel über die Täler hinweg schreien. Auch muss man sich darüber im Klaren sein, dass Esel sehr alt werden – bis zu 45 Jahren. Man muss immer für sie da sein, besonders im Winter. Mit einem Esel holt man sich einen Partner fürs Leben! Esel sind auch nicht gerne alleine. Deswegen werden sie manchmal zu einem Pferd oder Ziegen auf die Weide gestellt. 
 
Gibt es etwas Besonderes im Zusammenleben mit Eseln?
Ja, an Heiligabend um Mitternacht gehe ich mit meinem Mann zu den Eseln in den Stall. Sie bekommen dann ein Leckerchen und ich finde, sie sind dann ganz anders, auf eine besondere Weise anhänglich und liebesbedürftig.
 
Frau Johnen, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude mit Ihren Eseln!
 
Gerda Johnen wurde 1960 in Raeren geboren und arbeitet hauptberuflich als Erzieherin im Vinzenz-Heim in Aachen. Seit 1994 lebt sie mit ihrem Mann Henning Johnen-Jeansch auf einem Hof in der belgischen Gemeinde Thimister-Clermont im Ortsteil Froidthier.
 
Tipp: Michael Kesslers Expedition: Der Schauspieler und Kabarettist wandert mit dem Esel Elias an die Ostsee.
 
Interview und Fotos: Loni Liebermann

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